Fachartikel
Typographie und Gebrauchstauglichkeit
Benutzerfreundliche Schriftgestaltung
Gut lesbarer Text ist eine Grundvoraussetzung in der benutzerfreundlichen Gestaltung. Typografie macht Text für Nutzer erfassbar und bietet Orientierung. Im vorliegenden Artikel geht es darum zu identifizieren, welche Grundsätze der Typografie für die Gebrauchstauglichkeit und das Nutzungserlebnis relevant sind. Diskutiert werden die Bedeutung von Typografie und die Anwendbarkeit von Richtlinien für die Schriftgestaltung.
Einleitung
Kochen Sie ein leckeres Essen – es soll gut schmecken, attraktiv aussehen und natürlich satt machen. Dafür gibt es doch sicherlich ein Rezept? Beim Kochen ist klar – es kommt sowohl auf die Erfahrung des Kochs wie auch auf die Vorlieben der Gäste an. Zudem natürlich auf weitere Rahmenbedingungen: Wo findet das Essen statt, welches Budget steht zur Verfügung, welche Zutaten gibt es, wie viel Zeit haben die Gäste zum Essen, welche Ausstattung hat man zur Verfügung, ist der Anlass festlich, romantisch oder formell? Wenn es um Typografie und Gebrauchstauglichkeit (Usability) geht, verhält es sich ähnlich: Auch hier kommt es auf die Wahl des richtigen Rezepts, die Erfahrung von Typografen und Usability-Experten sowie auf die Nutzer an. Rahmenbedingungen sind hier zum Beispiel: Wo und was wird gelesen, um welche Textmengen handelt es sich, in welchem Kontext und in welchem Medium wird die Information benötigt, welche Struktur kann von den Nutzern leicht erfasst werden. In diesem Beitrag geht es um informative Texte, bei denen gute Lesbarkeit eine große Rolle spielt – im Gegensatz zur Werbung, in der Trends und Aktuelles spontanes Interesse wecken sollen. Der Fokus liegt also auf einer soliden Basisküche, in der grundlegende Faktoren und Richtlinien für gute Typografie dargestellt werden.
Typografie und Gebrauchstauglichkeit
Der Umgang mit Schrift gehört in unserem Kulturkreis zum Alltag, zum Beispiel bei Zeitungen, Webseiten, Büchern, Betriebsanleitungen, Softwareoberflächen, Bedienelementen. Suzanne Watzmann beschreibt den Umgang mit Typografie als wichtigste Fähigkeit in der visuellen Gestaltung:
„Typography is at the very heart of visual design; it is the art of defining and arranging the general appearance of type. In visual design, typography is the first and most important design skill to master and understand“ (Watzman 2003, S. 268)
Durch die stete Präsenz von Schrift in Benutzungsoberflächen spielt die Typografie eine entscheidende Rolle für Gebrauchstauglichkeit und Nutzungserlebnis (User Experience). Gute Typografie fördert das Verständnis der Nutzer und unterstützt die Interaktion. Interessanterweise sind die Definitionen von Typografie und Gebrauchstauglichkeit sich ähnlich in dem, was sie als ent- scheidende Faktoren nennen: Die Typografie ist die
„Gestaltung von Druckprodukten - heutzutage auch elektronischen Medien - mit Schriften, Bildern, Zeichen und anderen Gestaltungsmitteln mit dem Ziel der Einheit von Lesbarkeit, Funktionalität und Ästhetik. Typografie vermittelt nicht nur eine Botschaft oder Information, Typografie ist ein Ausdruck des Schönen. Der Einsatz und die Anordnung der Gestaltungsmittel erfordern Kreativität, das Beherrschen wesentlicher Grundregeln, Schriftbewußtsein und Erfahrung im Umgang mit den Gestaltungsmitteln.“ (Teschner 1995)
Die Gebrauchstauglichkeit bezeichnet das „Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“ (DIN EN ISO 9241 Teil 11 2006) Entscheidende Faktoren, um das Ziel in einer gewissen Einheit/einem Kontext zu erreichen sind die Lesbarkeit/Effektivität und die Funktionalität/Effizienz. Die in der Definition von Typografie erwähnte Ästhetik geht sogar über das zufriedenstellende Erreichen hinaus und findet sich im Bereich der User Experience als positives Nutzungserlebnis wieder.
Wahrnehmungspsychologie – Wie wir lesen
„Die schriftliche Darstellung eines Textes in der uns geläufigen Anordnung in Wörtern, Zeilen, Absätzen, Überschriften und dem Seitenlayout unter der Benutzung von gut unterscheidbaren Fonts für die Buchstaben ist das Resultat eines längeren Anpassungsprozesses im Verlauf der Geschichte des Schreibens und Lesens. Vermutlich entsprechen die pragmatisch entwickelten ‚Layoutvorschriften‘ den Möglichkeiten, die unsere Wahrnehmung für das Lesen zur Verfügung hat.“ (Goldstein 2002)
Zusätzlich zu den gängigen Layoutvorschriften, die sowohl das Gesamtlayout wie auch die typografischen Details betreffen, gilt es Hintergrundwissen aus der Wahrnehmungspsychologie zu beachten (Frutiger 1991, Goldstein 2002, Lidwell et al. 2003, Mangold 2007).
Durch die Berücksichtigung der Erkenntnisse kann Typografie benutzerfreundlicher werden:
- Die Leserichtung (in unserem Kulturkreis von links nach rechts) beeinflusst erheblich die Art, in der wir Richtungen interpretieren. Eine Linie von links unten nach rechts oben zum Beispiel erkennen wir als „bergauf“ der „positiv“, eine Linie von links oben nach rechts unten als „bergab“ oder „negativ“. Die Leserichtung wirkt sich natürlich auch auf die Art aus, in der wir Gesamtstrukturen erfassen.´
- Durch die Gestaltgesetze wird klar, was wir (meist unterbewusst) wahrnehmen. Als Beispiel dient hier das Gesetz der Nähe (nach Max Wertheimer), das besagt dass gleiche Elemente mit geringeren Abständen zueinander als zusammengehörig wahrgenommen werden.
- Geübte Leser erfassen beim Lesen nicht die einzelnen Buchstaben; sie fassen Textsegmente zusammen, um Informationseinheiten zu erkennen. Die Wahl der typografischen Mittel hat direkten Einfluss auf diesen Prozess und kann die Wahrnehmung erleichtern oder erschweren (Watzmann 2003).
Das Layout
Gute Typografie ist die Basis einer guten Infrastruktur, denn sie definiert das gesamte Erscheinungsbild im Satz. Dazu ist es wichtig, dass das Konzept durchdacht ist, das einer typografischen Aufbereitung zugrunde liegt. Die Struktur sollte so eindeutig sein, dass alle Informationseinheiten klar benannt werden können, zum Beispiel die Anzahl der Überschriftenhierarchien, Fußnoten, Auszeichnungen im Text, Legenden, Bildunterschriften, Marginalien. Ein gutes Konzept ist die Grundlage für eine klare und durchgängige Gestaltung und somit für ein leichtes Erfassen der Gesamtstruktur: Eindeutige Blöcke ermöglichen Nutzern die Zuordnung der einzelnen Elemente – was gehört zusammen, was nicht; einheitliche Abstände (zum Beispiel zum Rand) bieten dem Auge Orientierung. Die Anzahl der typografischen Möglichkeiten sollte einigermaßen eingeschränkt bleiben, um ein visuelles Chaos zu vermeiden. Der Schlüssel dazu ist, die Hierarchie der Informationen und übergeordnete Designziele zu bestärken (Watzman 2003).
„Die ästhetische Qualität der modernen Typographie ist durch diese Vielfalt von Mischungsmöglichkeiten der Gefahr ausgesetzt, in ungeschulten Händen bild-chaotischen Satz zu erzeugen. Je reicher die Materie wird, desto disziplinierter muß deren Handhabung gemeistert werden“ (Frutiger 1991, S. 180).
Denn zu viele Schriftarten können Leser irritieren und die Lesegeschwindigkeit verlangsamen (Bailey 1996).
Typografische Grundsätze als Schlüsselfaktoren für die Gebrauchstauglichkeit
In der Typografie gibt es keine Regeln, nur Richtlinien. Genau diese Richtlinien sollten Gestalter wie auch Evaluatoren kennen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Denn oft gilt es viele verschiedene Richtlinien vor dem Hintergrund des entsprechenden Kontexts gegeneinander abzuwägen und zu priorisieren, um zu einer guten Lösung zu kommen. Dabei sollten die Nutzer im Mittelpunkt stehen.
Häufig hat man beim Satz von Texten keine oder nur eine eingeschränkte Auswahl an Schriften zur Verfügung. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Das Corporate Design vieler Unterneh- men schreibt die Verwendung bestimmter Unternehmensschriften vor; es gibt kein Budget für den Kauf von Schriften; im Web können nur wenige Schriftarten als standardmäßig bei den Nutzern installiert vorausgesetzt werden … Dabei ist die Wahl der richtigen Schriftart ein wichtiges Mittel für gute Typografie und Gebrauchstauglichkeit. Die Wahl der Schriftart schafft im besten Fall Glaubwürdigkeit, nämlich wenn das, was die Schrift sagt, damit übereinstimmt, wie sie es sagt (vgl. Luidl 1996). Im folgenden Beispiel ist die anhand von zwei Fehlermeldungen verdeutlicht. Dabei wirken Schriften durch verschiedene Eigenschaften:
- Die Sprache ihrer Form: kantig, geschwungen, dynamisch … Im Beispiel wird allein durch die Form der Schrift eine gewisse geographische Orientierung deutlich. Unterstützen könnte man diese Wirkung noch durch den Einsatz der jeweiligen Landesfarben.
- Durch das, was eine Schrift erlebt hat. Sind Schriften besetzt, können wir sie nicht mehr unbefangen erleben. So wirkt zum Beispiel die Times New Roman inzwischen etwas altbacken, einfach weil sie schon sehr häufig verwendet wurde und sich Abnutzungserscheinungen breit machen. Ein anderes Beispiel ist die Fraktur, sie wurde durch Missbrauch zur Schrift von Rechtsradikalen und gilt ebenso häufig als Inbegriff bodenständiger deutscher Gemütlichkeit, zum Beispiel als Aufschrift von Brauereiprodukten. Dies gilt wiederum nur für Menschen mit einem bestimmten Erlebnishorizont. Amerikaner empfinden die Fraktur eher als historische Schrift mit ungewohnten Formen; für Japaner ist es einfach eine der Schriften des Westens (Willberg 2001).
Eine gute Schrift passt zum (Kommunikations-)Kontext und unterstützt und bestätigt die Information (Watzmann 2003). Es geht also sowohl um den anatomischen Befund (was steht da geschrieben) als auch um die charakterliche Beurteilung einer Schrift (Glaubwürdigkeit). Beides muss harmonieren, um ein passendes Gesamtbild zu ergeben. Ansonsten kann es passieren, dass ein Newsletter alleine durch die Wahl der Schriftart altmodisch wirkt oder ein seriöses Angebot nicht ernst genommen wird. Die oben genannten Dinge beziehen sich in erster Linie auf die Erwartungskonformität – passt also die Schriftart zum Inhalt. Schrift ist jedoch auch Sprache, und je reicher und umfassender die Verkleidung wird, desto weniger können wir die Form des Skeletts erkennen (Luidl 1996; Frutiger 1991). Und Erkennen ist die eine Seite des Lesens (im Gegensatz zum Erfassen). Gut erkennbare und somit lesbare Schriftarten sind solche, die dem Skelett nahe kommen. Der Reiz liegt im Wechsel des Stils, jedoch bestimmt die Form des „Skeletts“, ob die Schrift im gesamten den Grundregeln entspricht. Frutiger hat hierzu eine gemeinsame Grundform der Textschriften nachgewiesen.
„Die Grundlagen der Lesbarkeit gleichen einer Kristallisation, geformt durch jahrhundertelangen Gebrauch auserwählter, ausgeprägter Schrifttypen. Das Brauchbare, das sich auf Dauer bewährt hat, bleibt vielleicht für immer als ästhetisches Gesetz im Menschen erhalten.“ Frutiger (1991, S. 203)
Betrachtet man die einzelnen Buchstaben, so wird deutlich, wie unser Auge sie unterscheidet: Hierbei sind nicht die einfachsten, sondern die eindeutigsten Buchstabenformen am besten zu lesen (Willberg 2001). Besonders wichtig wird diese Eindeutigkeit, wenn uns der entsprechende Kontext zur Interpretation der einzelnen Zeichen fehlt: Im obigen Beispiel sind Straßennamen und Hausnummer in beiden Fällen gut lesbar. Ohne Kontext können Zeichen wie das große „i“, das kleine „l“ und die Nummer „1“ kaum voneinander unterschieden werden. Dies spielt häufig eine wichtige Rolle bei der Darstellung von Zahlencodes wie Bestelloder Seriennummern.
Insgesamt sollten die folgenden Fragen bei der Wahl der passenden Schriftart beantwortet werden:
- In welchem gestalterischen Kontext wird die Schrift eingesetzt?
- Welche Schrift passt zum Thema, zum Produkt oder zum Auftraggeber?
- Wie wirkt die Schrift auf unterschiedlichen Medien und Materialien?
- Sind die Schriften bei den Nutzern verfügbar bzw. können sie entsprechend eingebettet werden (PDF, PPT)?
- Ist die Schriftart in den relevanten Größen gut lesbar?
- Welche technischen Details müssen beachtet werden?
- Gibt es die Schriften in den richtigen Formaten, zum Beispiel Bitmap, PostScript, TrueType, OpenType?
- Sind Sonderzeichen wie Ligaturen, typografische Anführungszeichen, Euro-Zeichen vorhanden?
- Gibt es alle nötigen Schriftschnitte, zum Beispiel normal, fett und kursiv?
- Sind die Schrifteigenschaften angemessen? Zum Beispiel der Ausgleich zwischen Buchstabenkombinationen wie „Vo“ oder „Te“ - bei derartigen Buchstabenkombinationen können zu große Abstände vorkommen, die den Lesefluss stören.
Zusammenfassend gilt: Weniger ist mehr.
„Je mehr eine Schrift ihre eigenwillige Form in den Vordergrund rückt, desto mehr drängt sie den Textinhalt zurück. Wo die Selbstdarstellung überwiegt, wird das umrandete Äußere wichtiger als der Text“ (Luidl 1996, S. 36)
Das Medium – Bildschirm oder Druck?
Eine wichtige Rolle spielt der Kontext: In welcher Umgebung wird Text gelesen? Eine Schrift mit extremen Unterschieden in der Strichstärke kann auf einem gedruckten Medium sehr gut wirken und auf einer Webseite unlesbar sein. Feine Linien und Serifen können auf Monitoren mit schlechter Auflösung verschwinden, die Punzen (nichtdruckende Innenteile von Buchstaben) können bei fetten Schriftschnitten in kleinen Schriftgrößen im Ausdruck mit Tintenstrahldruckern „zulaufen“. Ebenso können farbige Schriften bei schlechten Lichtverhältnissen fast völlig verschwinden (zum Beispiel bei Beamern). Um böse Überraschungen zu vermeiden ist viel Erfahrung nötig. Am sichersten ist es, die entsprechende Typografie in der Originalgröße und auf dem Originalmedium unter realistischen Bedingungen (Abstand, Licht …) kritisch zu betrachten – sofern dies möglich ist. Bis zur Verbreitung des World Wide Web wurde ein Layout einmalig gestaltet und blieb dann in dieser Form bestehen. Bei seitenorientierten Medien wie Plakaten, Büchern oder Zeitungen ist das auch heute meist der Fall: Leser sehen das Layout genau so, wie es vom Typografen gestaltet wurde. Das gleiche gilt für PowerPoint-Präsentationen, PDF-Dokumente und Systeme, die vollständig in der Hand eines Entwicklungsteams liegen (Grafische Benutzungsoberflächen von Mobiltelefonen, MP3-Playern …). Bei der Reproduktion wird allenfalls aus einer farbigen Vorlage eine Schwarz-Weiß-Kopie, ansonsten liegen Layout, Schriftbild, Zeilenumbruch usw. in der Hand der Gestalter. Im Gegensatz dazu gibt es dynamische Layouts, bei denen nur die Inhalte selbst zur Verfügung gestellt werden. Natürlich können Autoren Hinweise geben, wie Inhalte beim Empfänger dargestellt werden sollen, zum Beispiel durch HTML oder Style Sheets. Ob dies aber tatsächlich geschieht, darauf haben Web- Autoren keinen Einfluss, denn das ist abhängig von vielen Faktoren, die von Nutzer zu Nutzer unterschiedlich sind: verfügbare Schriftarten, Bildschirmgröße und -auflösung, Einstellung der Schriftgröße im Browser … Ein Sonderfall tritt ein, wenn eine Seite das Internet verlässt, indem etwa die Ressource ausgedruckt wird. Die Seite muss dann für die Anordnung auf dem Papier umformatiert werden. Zum Zeilen- und Seitenumbruch kommen ggf. Kopf- oder Fußzeilen.
Mischen von Schriftarten und Schriftschnitten
Das Mischen von Schriftarten kann sinnvoll sein, um Informationseinheiten schnell und effektiv zu strukturieren. Allerdings sollten maximal zwei bis drei verschiedene Schriftarten kombiniert werden.
“Text presented in too wide an assortment of typefaces retards reading speed“ (Bailey 1996, S. 424).
Die Kombination von Schriftarten bedeutet wirtschaftlich betrachtet Mehraufwand, kulturell betrachtet sind Schriftmischungen das Qualitätsmerkmal einer typographischen Schriftsatzarbeit (Beinert 2002). Grundsätzlich sollte zwischen den gewählten Schriften entweder ein klarer Kontrast entstehen oder aber eine harmonische Übereinstimmung hergestellt werden. Ansonsten wirken Mischungen unentschieden und verwirren statt Nutzer zu unterstützen. Leicht kombinieren kann man in der Regel Serifenschriften mit serifenlosen Schriften – sofern sie gleiche Stilmerkmale besitzen (dynamisch, statisch). Noch einfacher ist es, Schriften aus der gleichen Schriftsippe zu kombinieren. Schriftsippen wurden gemeinsam entworfen und aufeinander abgestimmt und existieren häufig als Schrift mit und ohne Serifen. Hervorhebungen im Text können durch die Verwendung unterschiedlicher Schriftschnitte der gleichen Schriftart erfolgen, zum Beispiel normal, fett oder kursiv. Kursive Schriftschnitte eignen sich besonders für die Hervorhebung einzelner Wörter im Text (Bailey 1996), fette Schriften für Überschriften oder Warnhinweise. Ausgezeichnet werden sollten nur wenige und relevante Dinge, sonst verpufft die Wirkung, wie im folgenden Beispiel: Alle Abweichungen vom normalen Schriftschnitt sind in der Regel schwerer lesbar und sollten deshalb nicht für längere Texte verwendet werden (Bailey 1996). Dies gilt insbesondere für den Satz von Text in Versalien (Großbuchstaben), da diese sehr schwer lesbar sind (Bailey 1996).
Schriftgrößen – Sinn und Unsinn von Normen
Einheitliche Empfehlungen können helfen, die Gebrauchstauglichkeit von Produkten zu sichern und zu überprüfen. So kann zum Beispiel die Mindestgröße von Buttons bei einem Touchscreen-Monitor die einfache Bedienung für möglichst viele Nutzer sicherstellen. Wäre es da nicht sinnvoll, bestimmte Schriftgrößen festzulegen, um die Lesbarkeit von Informationen in verschiedenen Medien zu gewährleisten? Ja, das wäre es, wenn zwei Faktoren erfüllt wären: einheitliche Schriftgrößen und gleiche Lesbarkeit verschiedener Schriftarten in der gleichen Schriftgröße. Leider ist beides nicht der Fall. Zur Verdeutlichung ist das Wort Typografie in verschiedenen Schriftarten gesetzt – jeweils in derselben Schriftgröße:
Das Chaos der Schriftgrößen hat verschiedene Gründe (Gruhl, Lege 1992; Willberg 2001):
- Früher konnte jeder Schriftschneider seine Schriftgrößen selbst festlegen und benennen.
- Verschiedene Hersteller von Schriften haben unterschiedliche Einheiten für ihre Schriften zugrunde gelegt: Versalhöhe oder Kegel des Bleisatzes. Zudem wurden diese nicht immer konsequent eingehalten und so ragen zum Beispiel Ober- und Unterlängen teilweise über die Kegel hinaus.
- Verschiedene Maßeinheiten: Didot- Punkt (0,37597 mm), Pica-Punkt (0,35147 mm), dtp-Punkt (0,35277 mm); Angaben in Millimetern, Pixeln, em oder Prozent.
Abgesehen von unterschiedlich gut lesbaren Formen tragen auch die Verhältnisse von x-Höhe zu Oberlänge und Unterlänge sowie die Verhältnisse von Versalhöhe zu Oberlänge entscheidend zu Charakter und Lesbarkeit einer Schrift bei. Einheitliche Empfehlungen sind deshalb nur bedingt möglich – nämlich für bestimmte Schriftarten auf be- stimmten Medien. Eine Empfehlung für gut lesbare Schrift- größen ist zwar wünschenswert, jedoch leider kaum realisierbar. Möglich sind nur Circa-Angaben, die im jeweiligen Kontext von einem geschulten Auge beurteilt werden müssen.
Fazit
Gute Typografie zeichnet sich meist durch die richtige Wahl von Kompromissen und Entscheidungen aus. Welche der Richtlinien im jeweiligen Kontext relevant sind entscheidet im besten Fall ein Profi. Denn die Haute Cuisine ist kulinarisch wie typografisch etwas für Spezialisten mit entsprechendem Wis- sen, Erfahrung und Gefühl. Wer gute bodenständige Typografie schaffen möchte, sollte die Wahl der Mittel einschränken, denn zu viele verschiedene Schriftarten, Schriftgrößen und Schriftschnitte verhindern die eindeutige Zuordnung der einzelnen Elemente. In den meisten Fällen reichen im Inhaltsbereich ein bis zwei Schriftarten, zwei bis drei klar voneinander unterscheidbare Schriftgrößen und zwei bis drei Schriftschnitte. Bei der Gestaltung von Informationen sollten die Inhalte im Vordergrund stehen, nicht die Typografie. Gute Typografie unterstützt und ergänzt Informationen und wirkt deshalb passend. Wenn sie erfolgreich gestaltet wurde, werden Produkte leicht und sogar gerne nutzbar (Watzman 2003). Gute Typografie ist unsichtbar – sie funktioniert einfach.
Literaturverzeichnis
- Bailey, R. W. (1996): Human Performance Engineering. Designing High Quality Professional User Interfaces for Computer Products, Applications and Systems. Prentice Hall PTR.
- Beinert, W. (2002): Typolexikon.de, Das Lexikon der westeuropäischen Typographie, Online seit 2002, abgefragt am 10.07.2009, von http://www.typolexikon.de
- DIN Deutsches Institut für Normung, Hrsg. (2006):DIN EN ISO 9241 Teil 11; Ergonomie der Mensch-System-Interaktion
- Frutiger, A. (1991): Der Mensch und seine Zeichen. Schriften, Symbole, Signete, Signale. 3. Auflage, Weiss Verlag GmbH, Dreieich.
- Goldstein, E.B. (2002): Wahrnehmungspsychologie. Zweite deutsche Ausgabe herausgegeben von Manfred Ritter. Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg, Berlin, S. 354.
- Gruhl, G.; Lege, K.-C. (1992): Seminar „Schrift und Typografie“ (Seminar- Unterlagen), Berlin.
- Lidwell, W.; Holden, K.; Butler, J. (2003): Universal Principles of Design: A Cross-Disciplinary Reference: 100 Ways to Enhance Usability, Influence Perception, Increase Appeal, Make Better Design Decisions, and Teach Through Design. Rockport Publ.
- Luidl, P. (1996): Typografie Basiswissen, Deutscher Drucker.
- Mangold, R. (2007): Informationspsychologie, Wahrnehmen und Gestalten in der Medienwelt. Elsevier Spektrum Akademischer Verlag.
- Teschner, H. (1995): Fachwörterbuch für visuelle Kommunikation und Drucktechnik, 2. Auflage, Ott Verlag + Druck AG Thun, S. 358.
- Watzman, S. (2003): Visual Design Principles for Usable Interfaces. In: Sears, A.; Jacko, J.A. (Hrsg.): The Human-Computer Interaction Handbook: Fundamentals, Evolving Technologies, and Emerging Applications. Lawrence Erlbaum Assoc. Inc., S. 263-285.
- Willberg, H.P. (2001): Wegweiser Schrift, Erste Hilfe für den Umgang mit Schriften, was passt – was wirkt – was stört. Verlag Hermann Schmidt Mainz.
Anmerkung
Der vorliegende Text wird hier entsprechend der veröffentlichten Fassung wiedergegeben; Der Begriff Nutzer schloss und schließt selbstverständlich Nutzer:innen mit ein.
Referenz
Lotterbach, Silke; Wagner, Claus; Marek, Michael (2009): Typografie und Gebrauchstauglichkeit: Benutzerfreundliche Schriftgestaltung. Tagungsband UP09. Stuttgart: Fraunhofer Verlag. pp. 113-118. Symbole, Icons und Typographie
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